Sonntag, 23. Februar 2014

Ryan Gosling als letzter Menschlicher in Refns Höllentrip »Only God Forgives«.

Only God Forgives
Thriller | DK/FR 2013 | FSK 16 | 89 Minuten | Regie: Nicolas Winding Refn




Refns Alptraum. Die roten Lichter, die Drehorte schreien nur so wie die Hölle auf Erden. Die Stimmen oder vielmehr die bedrückende Stille, die Musik und die Bilder. »Only God Forgives«, das Portrait einer Stadt ohne Nachsicht? Der Titel sagt es doch: Nur Gott vergibt. 

Ryan Gosling als Anti-Macho, als unsicherer, großer Bruder, gibt dem Film aber das größte Potenzial und gleichzeitig das größte Geheimnis. Wir erleben ihn als einen Drogendealer, doch ist er nicht wirklich das Bild, das man sich unter einem solchen vorstellt. Er sitzt gefesselt, nahezu unterworfen auf einem Stuhl gefesselt da und sieht einer Frau beim Masturbieren zu. Er sieht sich die Frauen immer nur an, aber befriedigen oder beglücken tun sie ihn nicht. Irgendwie ängstlich, irgendwie total  befangen und furchtsam sitzt er regungslos da. Auch einer der Gründe, wieso er eine »Entertainerin« fragen muss, ob sie vor seiner Mutter so tut, als sei sie seine Freundin. Ein Spiel, das wir eigentlich nur von »Homosexuellen-Alibis« kennen. Seine drückende, herrische Mutter, beeindruckend gespielt von Kristin Scott Thomas, treibt derweil ein absolutes Gefühlstheater. Und sie hat Erwartungen. Mal hasst sie ihren Julian, mal liebt sie ihn. Mal tut sie so als ob. Mal will sie das, mal nicht mehr. Beeindruckend, und was diesen Film gleichermaßen so schwer macht, zu deuten, ist die totale Verschließung eines Innenlebens seiner Charaktere. Wir sehen Handlungen, Mimik und Gestiken, besonders die eines Ryan Gosling. Doch offenbart uns der Film eigentlich nichts außer unseren subjektiven Wahrnehmungen – unseren Gefühlen. Der Film überkommt uns mit nichts als Gefühlskälte und das macht ihn gerade dadurch so emotionell. Ryan Goslings leere, hilflose Ausdrücke wirken wie ein Haufen Elend einer Seele. So voller Angst und Befangenheit und Melancholie. Gerade durch diese Leere an Seele der Figuren wird der Film so irrational und emotional wie es nur geht: Wir blicken, nicht zuletzt durch die beeindruckende Kameraführung, ständig tief in die Augen und Blicke unserer Figuren. In diesem Film sagen sie noch mehr als tausend Worte und offenbaren uns, sobald wir es nur zulassen, tiefe Gefühle und sogar Ängste – wenn wir Julian mit befangener Miene am Stuhl gefesselt, durch die roten Gänge und Straßen oder ihn sogar verängstigt seine Hände zu Fäusten ballen sehen. Refn schmiert hier keine Geschichte eines großen Helden ins Kino, sondern wie ein menschlicher Sohn zum gnadenlosen Rächer fungieren soll – doch machen nicht gerade unsere Schwächen uns so menschlich? Meinen Gefühlen nach zu gehen – und das ist alles, was man in diesem fantastischen Film machen kann – ist Ryan Gosling noch der einzige Menschliche in dieser Welt. Das widerspenstige Symbol des Händeabhackens dafür, dass er sich sündig fühlt. Und diese Schwäche und Hilflosigkeit. Vielleicht ist dies »Only God Forgives«: Ein Film über die Menschlichkeit inmitten einer Welt, die der Hölle gleichkommt. 

Natürlich ist der Film in seinem Sog aus Gewalt, Gefahr und bunten Lichtern der düsteren Unterwelt Bangkoks unheimlich faszinierend, genauso natürlich wie die Gewalt niemals im Licht der Befürwortung steht – eben wie in anderen Meisterwerken, die mit Gewalt abschrecken und verabscheuen. Um das zu tun, muss die Gewalt allerdings gezeigt werden – und das tut »Only God Forgives« so konsequent durchzogen wie es nur geht. Er ver-teufelt sie. Viele meinen, der Film sei ganz anders als »Drive«. Doch eigentlich ist er genauso. Nur viel konsequenter. Wieder spielt Ryan Gosling einen weichen, melancholischen Kerl im Macho-Milieu. Wieder ist er oberflächlich ein totaler Vollkerl. Und innerlich ein totales Rätsel. Irgendwo ein Weichei, ein viel zu lieber Mann, der seinem „Date“ das Kleid gerne schenken möchte, und ein Mann, der das herrische, unterdrückende Verhalten seiner Mutter damit rechtfertigt, dass sie eben seine Mutter sei. Ryan Gosling, der schweigsame Held. Ich liebe dich und möchte mehr davon. 






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