Dienstag, 4. Dezember 2012

Vampire, Werwölfe und Gesellschaftsmuster: Len Wisemans Horrormeisterwerk »Underworld« und seine Tragweite.


Underworld
Horror | USA 2003 | FSK 18 | 121 Minuten | Regie: Len Wiseman

Style over substance? Nein, danke.
Dass »Underworld« durch sein geheimnisvolles Mysterienbild der Vampire und Werwölfe fasziniert, ist offensichtlich. Doch wir erkennen im – ich sage es, ohne mich zu schämen – Meisterwerk von Len Wiseman ganz beachtlichen Hintergrund: die Gesellschaftsmuster. Die oberflächlichen Vampire leben hochtechnologisiert in ihrem prunkvollen Schloss, feiern sinnlose Feste, sitzen den Tag über in der süperben Eingangshalle und trinken Blut und lecken rum, und sie leben – wie sich mit der Zeit herausstellt – in einer einzigen Lüge. Es ist ein Bild, das uns an den früheren Adel erinnert; ein Adel, der Orgien feierte und hinter dessen Mauern eigentlich nichts als Doppelspiel steckte. Ähnlich wie Fontane es in seinem Roman »Frau Jenny Treibel« niederschrieb, sehen wir die Falschheit und Oberflächlichkeit der höheren Schicht; es geht um Besitz und das darauf folgende gesellschaftliche Ansehen. Die Vampirgesellschaft, die sich nur an vergoldeten Wasserhähnen die Hände waschen können und hinter deren prunkvollen Mauern ein nur allzu oberflächliches, mittlerweile sogar unsinniges, geistloses Leben treibt – und das eigentlich nur, weil sie es können –, spiegelt genau dieses Bild wider.
Die Lykaner stellen hierfür das Gegenbild: Sie sind die Proletarier. Sie leben wie Untouchables in der Kanalisation und vergnügen sich den Tag über an sinnlosen Kämpfen und experimentieren noch mit primitiven chemischen Praktiken, die – wie eindeutig sichtbar – nur schwer zu Erfolgen führen. Sie sind die, die sich verstecken müssen; die Unkultivierten.

Die Frau als hinterfragende Kämpferin
Doch eine der Vampire spielt aller Sinnlosigkeit gegen an: Während alle anderen ihrer Rasse ihre blöden Feste feiern, räumt sie mit der Welt auf. Sie ist sichtbar die Einzige, die hier noch denkt. Sie widersetzt sich ihrer Gesellschaftsschicht und ihrer Oberflächlichkeit, sie hinterfragt sie sogar und verliebt sich letzten Endes in den Feind selbst: einen Lykaner, jemanden aus der unteren Schicht – wir erinnern uns an G. E. Lessings »Emilia Galotti« oder Schillers »Kabale und Liebe«, auch wenn »Underworld« sogar noch einen Schritt weiter geht: Denn der Adel verliebt sich nicht nur in das Bürgertum, sondern ins Proletariat. Hier ist es Selene, unsere Heldin, die sich wagt und für ihre Gerechtigkeit kämpft. Wir sehen den Film lang eigentlich nichts anderes als die Gegenüberstellung des Adels, der hochnäsigen Vampirgesellschaft, und der unteren Arbeiterklasse. Die verbotene Liebe zwischen Adel und Proletarier trifft aufeinander. Die Lügen und Intrigen kommen mit der Zeit ans Licht. Und deswegen, und nicht hauptsächlich wegen seiner gewandten Action, seines phantastischen Horrors, seines Stils und Eleganz, ist ›Underworld‹ ganz großes Fantasy-Horror-Kino.
Als Lucian von seiner Vergangenheit in Sklaverei der Vampire erzählt, erwähnt er Viktor, der Angst vor einer Vermischung beider Rassen hatte. Hiermit spiegelt der Film einen weiteren fatalen Idealismus unserer Historik wider: den Nationalismus, die Rassentrennung – später noch eindrucksvoller im dritten Teil der Saga »Underworld: Aufstand der Lykaner« erkennbar.
Die Vampire und der Werwölfe in »Underworld« sind geheimnisvolle, faszinierende Kreaturen, keine vegetarischen Glitzerkids. Bram Stoker hätte es vielleicht gefallen. Ich liebe es.

»Wie die Waffen des vorigen Jahrhunderts werden auch wir überflüssig werden. Schade, denn dafür habe ich gelebt.« 






1 Kommentar:

  1. Sehr interessanter Aspekt, hätte mir dennoch noch über ein wenig mehr Rezension gefreut.

    Gruß Paul

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