Montag, 30. April 2012

'Gamer' sieht nach weniger aus als er sein kann.

Gamer
Action/Science-Fiction | USA 2009 | FSK 18 | Regie: Mark Nevildine und Brian Taylor

In Zukunftsvisionen kann man nun vielleicht nahezu immer einen interpretatorischen Ansatz an Gesellschaftskritik finden. So vielleicht auch in 'Gamer'; Action und Fiktion der Gesellschaft so primitiv und verachtenswert wie lange nicht mehr – und wie ein mancher möglicherweise behaupten mag für die jüngere Erwachsenengeneration. Doch 'Gamer' wegen seiner Zielgruppe, Primitivität oder angeblicher Gewaltverherrlichung zu verurteilen, wäre zu simpel, und zu leugnen, dass die Dystopie der 'Crank'-Macher auf Anhieb keinen Anspruch besitzen darf, ist Unsinn. Viel eher sollten wir erkennen, dass 'Gamer' ein erschreckendes futuristisches Bild zeichnet und unsere Game-Virtualität eine krasse Ebene höher geschraubt wird: Wir spielen nicht mehr mit virtuellen Figuren im Netz, sondern mit Menschenleben. Menschenleben, die nach Ansicht des Staates nichts mehr wert sind: zum Tode verurteilte Persönlichkeiten. 

'Gamer' ist ein göttlich spannendes Actionerlebnis, wie man es selten kurzweilig zu sehen bekommt. Packend hektische und für einen Actionfilm perfekt inszenierte Regiearbeit, die – zumindest mich – in seiner kritischen Erscheinung zum Denken anregte. Zehnmal intelligenter als bekannter, typisch 2000er-Transporter-Actionmüll, in seiner Initiative ganz klar faszinierender, visuell und akustisch reibungslos virtuos. Und falls aufkommen sollte, dass Marilyn Mansons „Sweet Dreams (Are Made of This)“ den Kampf zelebrieren soll, sollte dieser die Lyrics einmal auseinander nehmen. „Ich werde dich benutzen und missbrauchen“; genau das, was in 'Gamer' eigentlich vor sich geht.




'Vergiss mein nicht!' - Jim Carrey ist nicht cool.

Eternal Sunshine of the Spotless Mind
Komödie/Science-Fiction/Fantasy | USA/Kanada 2004 | FSK 12 | Regie: Michel Gondry

„Andauernd reden heißt noch lange nicht kommunizieren.“ 
Süße Idee, umso ernüchternder in seiner Umsetzung. Was als die große Bekräftigung angepriesen wird, kann mein Aug und Apfel nicht sehen: Jim Carrey beweist sich hier meinem Augenschein nach in keiner Sekunde als der Mann, der ja doch „ernst“ spielen kann. Achte man auf seine lächerliche Mimik, herumhampelnde Körpersprache und die kleinen Momente, stelle man fest: Carrey kann’s nicht. Selbst wenn die Kritik am Fortschreiten der fragwürdigsten Technologien sich nicht aberkennen lässt, eine wundervolle Kate Winslet mit farbenfrohen Frisuren bezaubert, die schöne Kirsten Dunst sich als Krankenschwester mausert und Elijah Wood am Computer spielt, 'Vergiss mein nicht!' bleibt süß, ganz interessant und irgendwie doch wässrig und unberührend, auf niedlich nervige Weise ein bisschen durchgeknallt und vielleicht auch einfach nichts für mich. 



Donnerstag, 26. April 2012

'Restless' ist irgendwie anders.

Restless
Drama | USA 2011 | FSK 6 | Regie: Gus van Sant

„Die Leute tragen heutzutage zu sowas was Farbenfrohes.“ – „Ich habe nichts Farbenfrohes.“ 
'Restless' besitzt fünf unleugbare Stärken: alltäglich deprimierende Atmosphäre, einfühlsame Singer-Songwriter-Musik, Leute, die sich mit dem Tod beschäftigen, zwei außerordentlich talentierte Protagonisten und ein unendlicher Charme. 'Restless' sprudelt für ein derartiges Indiedrama quasi vor zeitgenössischer Phantasie und kreativen Funken, wirkt förmlich inspiriert und tatsächlich sensibel und ergreifend. Viel besser hätte man ein solches Drama voller Romantik, einer Nuance Humor und charmanter Niedergeschlagenheit nicht machen und mit Henry Hopper und Mia Wasikowska in erster Linie sicherlich auch nicht besetzen können. Mein Herz wurde getröstet, zerrissen und fand für eine viel zu knappe Zeit ein seelenverwandtes Zuhause. 
„Er ist irgendwie anders.“ 





Dienstag, 24. April 2012

'Wenn die Gondeln Trauer tragen' oder: wenn Angst erlaubt ist, obwohl nichts passiert.

Don't Look Now
Mystery/Horror | Italien/Großbritannien 1973 | FSK 16 | Regie: Nicolas Roeg

'Wenn die Gondeln Trauer tragen', wenn das Mädchen im roten Anorak im Teich versinkt, wenn eine blinde Frau Geister sieht und Tauben, lungernde Katzen und Ratten Chaos erbittern, wenn die dunklen Gassen Venedigs widerhallen und wenn ich völlig ergriffen kiebitze. Nicolas Roegs aufwühlende Kunstarbeit und dessen alleinige Grundstimmung, die ihresgleichen sucht, creept auf bedrückendstem Niveau, ohne auch nur in irgendeiner Weise wirklich horrend zu sein. Dabei entdeckt sich seine eigene Kameraarbeit mitten ruhiger Filmpoesie und stilvoll hektischem Gewackel als vielleicht gar größte Spannungseffizienz in Anbetracht des teilweise eher träge zurechtkommenden Handlungsverlaufs. Doch wie der Zuschauer erkennen wird, läuft im Wirrwarr der Trauer, übersinnlichen Hilflosigkeit und rätselhaften Mysterie am Ende tatsächlich alles lediglich auf einen Punkt hinaus: Die Konfrontation mit dem Meistgeliebten sowie dem gleichermaßen Meistgefürchteten. Ein unvergessliches Klassikererlebnis, das wahrhaftig nachhaltiger ist als seine Bescheidenheit vormacht. 





Donnerstag, 12. April 2012

'Livid - Das Blut der Ballerinas'. Surreale Kunst oder einfach bescheuert?

Livide
Horror/Fantasy | Frankreich 2011 | FSK 18 | Regie: Alexandre Bustillo

Kraftvoll durchzogen mit durchgehend adäquater Musik, surreal oder übersinnlich, und allemal richtig stilvoll, schick und geradezu lückenlos spannend und knackig kurzweilig. Teenieklischees gehören da genauso rein wie deren dumme Ideen und völlig abgewichste Oldschoolgruselschockeffekte. Nach ihren kunstvollen Horrordrama Inside das zweite doppelbödige Horrorkunstwerk von Alexandre Bustillo und Julien Maury. 



Mittwoch, 11. April 2012

'Die Stadt der verlorenen Kinder' erweckt längst vergessene Träume einer Kindheit.


La Cité des Enfants Perdus

Fantasy/Science-Fiction | Frankreich 1995 | FSK 12 | Regie: Jean-Pierre Jeunet und Marc Caro


„Warum haben alle Kinder Alpträume?“ – „Weil du der Alptraum bist.“ 
Inmitten grandioser Grotesque und fabelhafter Fiktion pinseln Jeunet und Caro – mit einem vielleicht winzigen Pinselspitzchen, welches gar das kleinste Detail überwältigend ins Bildnis zeichnet – ein Gemälde zwischen Alptraum und Märchen auf die Mattscheibe der Glotzkiste. Von seinem skurrilen Humor und den bizarren Figuren getragen ist es exakt dieses Märchenhafte, das Verträumte und nahezu Gedankenlose, das das Zuschauerköpfchen in ein gewisses Gefühl der Vergessenheit und doch der Gewissheit taucht. Einerseits von einer unbegreiflichen Schöpferkraft beflügelt, andererseits an eigene Fantasiegestalten erinnernd bereits in Vergessenheit geraten. 'Die Stadt der verlorenen Kinder' hat in mir nicht nur längst vergessene Kindheitsphantasien geweckt, sondern mich in einen verschrobenen Alptraum wie meinen eigenen verschleppt, der mich weder losließ noch loslässt.





Donnerstag, 5. April 2012

'Hunger' - Verstörendes Meisterwerk über den Hungerstreik der IRA-Häftlinge Anfang der 80er Jahre.

Hunger
Drama | Irland/Großbritannien 2008 | FSK 16 | Regie: Steve McQueen

Es war still. Totenstill. Abstoßendstill. Während ein grässliches Bild nach dem anderen über den Bildschirm flackerte, war es einfach wie tot. Ich habe mich 90 Minuten weder getraut, mich zu bewegen, noch den leisesten Laut von mir zu geben. 'Hunger' ist verstörend wie lange kein anderer, weil so real und gravierend und ernst gemeint, wie man es nur ernst meinen könnte. Und genau danach schaut es auch aus; genau danach lässt es sich anfühlen; genau das strahlt es aus. Kann ich und möchte ich keinem empfehlen, doch inszenatorisch, dramaturgisch sowie schauspielerisch beispiellos und ausgezeichnet.