Sonntag, 30. Dezember 2012

Danny Boyle und warum ich in ihn verliebt bin.


Warum bin ich in Danny Boyle verliebt?

Der Alleskönner
Ganz offensichtlich ist Danny Boyle ein Möchtegern-Alleskönner, der alles kann. Wie gekonnt er sich durchs Genrekino boxt, er Ideen und Kreativität in seinen Filme umsetzt und atmosphärisch, optisch wie emotional anspricht, ist außerordentlich. Doch wir sollten Boyle nicht aufgrund seines mehr oder weniger mainstreamlastigen Genrekinos auf seinen Unterhaltungswert reduzieren und sein gekonntes Handwerk als Blenderei brandmarken. Denn hinter all seiner filmischen Schönheit verbirgt sich in Boyles Filmen besonders eins: Fantastische Geschichten über den Menschen mit Anstoß, Sinn und Reflexion der Gesellschaft.

»Always changing genres, making very different films is a good idea. It's a way of making yourself feel vulnerable again, getting back to that innocence.«

Der Aufschrei nach Frieden
Allen Filmwerken voran gilt »28 Days Later« in meinen Augen als Boyles absolutes Essenzwerk. In einer Szene sagt ein Soldat über die Wutvirus-Epidemie: »Was ich während der Epidemie sah, war: Menschen töten Menschen. Was ich vor der Epidemie sah, war: Menschen töten Menschen.« Hier wird Boyles Aussage ganz besonders deutlich: Mit den mordenden Infizierten hält Boyle uns einen Spiegel unserer selbst vor die Augen; ob Wutvirus oder nicht, der Mensch tötet – und wo töten wir mehr als im Krieg? Boyles »28 Days Later« besitzt eine Antigewaltbotschaft wie sie vielleicht nie vermittelt wurde. In den ruhigen, optimistischen Szenen des Films wird die Schönheit der Welt, die Natur verlassen von dem Menschen und die Hoffnung, die allein von Nächstenliebe erzeugt werden kann, in wunderschöne, herzerwärmend humane Momente gefasst. Hiermit zeigt Boyle uns, wie schön die Welt sein kann – ein beeindruckender Gegensatz zu dem, was hier im Rest des Films passiert. Die Welt ist schön, doch leider machen wir sie hässlich.

... und der Aufschrei nach Freiheit
Zurückbetrachtet auf sein Gesamtwerk lässt sich ein besonderer Standpunkt erkennen: Danny Boyle liebt das Leben. Doch es gibt so viel Unsinn und Unfug, den der Mensch treibt, der uns auseinander bringt, unser Leben erschwert und den Frieden und die Menschlichkeit, die in der Welt regieren könnten, zerstört. In »The Beach« erzählt uns der Protagonist Richard, gespielt von Leonardo Di Caprio, am Anfang des Films, wie sehr er sich nach Abenteuern und dem aufregenden Leben sehnt – den kompletten Film lang über hören wir Richards Monologe über seine lebens- und abenteuerbejahende Lebensphilosophie und Empfinden. Boyle drückt einen und vielleicht seinen eigenen Lebenstraum in diesem Film aus. In unserer heutigen Gesellschaft wird die Weltanschauung für Freiheit und das Träumeleben immer seltener, und überhaupt bezeichnen wir Leute wie Richard doch viel zu häufig als »anormal« oder »verrückt«. Alle sehnen sich nach Freiheit, doch wer lebt es noch? Der Trend führt immer mehr zum Karrieremachen. In »The Beach« wird später dieser Traum von Freiheit für den Protagonisten wahr – ein paradiesisches Leben auf einer wunderschönen Insel mit liebenswürdigen Menschen – das Abenteuer hat sein Ziel gefunden. Als Richard für einen Tag von der traumhaften Insel und der entstandenen Kommune zurück aufs Land fährt, erkennt er, wie sehr ihn diese wahre Welt anekelt: besoffene, feierwütige und stinkende Menschen. Die Schönheit am Leben wird auf ganz besondere Art repräsentiert: Als friedsame Kommune, in der sich die Menschen akzeptieren, jeder jeden kennt, man einander versteht und auf ungezwungene Art die Freiheit auslebt. Doch beeindruckend ist doch die Wendung, die uns zeigt, dass heute selbst diese Kommune nicht mehr existieren kann, weil es immer einen »Boss« oder »Anführer« geben muss, der sich aufspielt, quasi die Regierung sein muss – wunderbar gespielt von Tilda Swinton.

Das Leben ist Schicksal, also lebe es.
»Slumdog Millionär« wird kritisiert, weil er gesellschaftskritisch sein will und gleichermaßen liebevoll und berührend. Doch wieso sollte sich ein kritischer Film nur auf das Schlechte im Leben reduzieren? Wieso sollte bewusst umgangen werden, dass kleine Jungs sich in Slums verlieben? Wieso sollten auch Jungs aus Slums nicht wissen, wie sie spielen und Spaß haben können? Und wieso sollte sich diese Liebe nicht irgendwann auch zusammenkommen? Gerade durch die Liebe in dem Film werden wir nah und intim an die Figuren herangeführt, dass uns die Wirksamkeit der furchtbaren Schicksale und Gegebenheiten der Figuren doch noch näher treffen. Auch in »Slumdog Millionär« weiß Boyle eins zu sagen: Das Leben kann schön sein. Doch es ist auch extrem verhängnisvoll. Und unser Dasein ist seit unserem existenziellen Ursprung schicksalhaft – wir werden in ein Umfeld hineingeboren und haben alle mit Schicksalen, Problemen zu kämpfen, aber begegnen auch eigenen Hoffnungen und Vergnügungen, die uns am Leben erhalten. Jeder in seiner Lebenswelt.

Ebenso in seinen Frühwerken »Trainspotting « oder »Kleine Morde unter Freunden« führt er uns das verhängnisvolle Leben und die schicksalhafte Begebenheit vor, die ebenso tragisch wie selbstparodierend sind. Alfred Lichtenstein sagte einmal: »Wenn die Trauer in Verzweiflung ausartet, soll man grotesk werden.« Ist das nicht genau das, was in beiden Filmen – besonders in »Trainspotting« – passiert? Die im Grunde genommen völlig verzweifelten Drogenjunkies hocken sinnlos und stumpfsinnig vor sich rum. Danny Boyle verachtet sie nicht. Er wird grotesk und stellt sich gegen die konventionellen Drogendramen, die uns – natürlich völlig zu Recht – weißmachen wollen, wie schlecht Drogen sind. Er aber führt uns in eine völlig abgedrehte, dreckige Welt, sogar in ein Kaleidoskop eines Junkies, aus der besonders die Toilettenszene oder das wandelnde Baby an der Decke hervorgehen. Natürlich hat ein Junkie in seinem Konsum »Spaß« und verfällt in Ekstase. Doch wir alle wissen, dass er mehr oder weniger eh schon alles verloren hat – oder wie der Hauptdarsteller, fantastisch von Ewan McGregor gespielt, es uns sagt: »Warum sollte ich das [das »Ja«-sagen zur Karriere, zur Familie, zum Konsum und zum konventionellen Leben] machen?« Boyle zeigt uns, wenn auch völlig überspitzt: Mach doch was du willst. Bevor du am Leben verzweifelst werde grotesk. Denn die Freiheit haben wir, auch wenn die Gesellschaft es zu selten wahrhaben will und noch schlimmer: es überhaupt duldet.

Der Lebenstrieb
Mit »Sunshine« wird Boyle sensibler und melancholischer: Er zeigt uns auf beeindruckende Weise, was das Leben ohne Sonne, ohne Licht, Hoffnung und ohne (Boyles) Optimismus wäre. Die Crew der Icarus spiegelt genau das wider: Suizid, Misstrauen und Melancholie. »Sunshine« ist Boyles pessimistisches Werk, in dem ein häufiges seiner Motive besonders deutlich wird: der Überlebens- und Todestrieb des Menschen; darüber, wie nahe Hoffnung und Hoffnungslosigkeit beieinanderliegen. Er sagte einmal: »The sun is the most important thing in everybody's life, whether you're a plant, an animal or a fish, and we take it for granted.« Auch in »28 Days Later« ist in einer Szene die Rede davon, dass das Töten der Infizierten nicht mehr moralisch unvertretbar sei; es sei nur der Überlebenstrieb des Menschen, der das Morden unverzichtbar macht. Gleiches, wenn auch deutlich zuversichtlicher, verarbeitet er in »127 Hours«, die Geschichte eines lebensbejahenden Sportlers, der plötzlich vom Schicksal selbst gefangen genommen wird. Der Überlebenstrieb wird hier unübersehbar. 


Weil die Welt schön sein kann
Wir können Danny Boyles Standpunkt und Position in seinen Filmen nur erahnen, da er leider nur selten in seinen Drehbüchern selbst mitarbeitet. Doch in der Auswahl seiner Filme, ihren Aussagen und Identifikationsfiguren wird deutlich, wie hoffnungsvoll Boyle mit der Welt umgeht – selbst wenn alles verloren scheint, selbst wenn die Menschheit sich in Bestien verwandelt hat und selbst wenn man in der furchtbarsten Ecke der Erde aufgewachsen ist. Boyle sagte mal: »I like films that have a kind of vivacity about them.« Er liebt die Lebhaftigkeit, er liebt das Leben als Abenteuer und Spiel. Wie es heute leider selten geworden ist.

Warum bin ich in Danny Boyle verliebt? Weil er uns das Leben in seinen Filmen ohne zwanghafte Stimmungsbilder zeigt, wie es eben ist: optimistisch und pessimistisch. Wieso schrieb Shakespeare sowohl Komödien als auch Tragödien? Weil das Leben eine Komödie und eine Tragödie zugleich ist. Oder weil es »D: Schicksal« ist. 

Sonntag, 23. Dezember 2012

Der Vampir und der Verspottete: »So finster die Nacht«, Tomas Alfredsons Ausnahmehorrordrama aus Schweden.


Låt den rätte komma in
Horror | Schweden 2008 | FSK 16 | 114 Minuten | Regie: Tomas Alfredson

Unschuldig fallen die Schneeflocken hinab, sündig tropft das Blut in den Schnee. Tomas Alfredsons Meisterwerk »So finster die Nacht« ist nicht nur ein bahnbrechender Vampirfilm; nein, er bricht sogar alle Dimensionen des Horrorkinos.

Die Geschichte zweier Außenseiter
Doch das besonders Wertvolle an »So finster die Nacht« ist die Art und Weise, auf die Alfredson das Thema Außenseitersein in wirklich eigensinniger Form verarbeitet. Dabei gestaltet er das Motiv genau wie den gesamten Film als solchen: Einerseits real, andererseits fantasiert und triefend vor herausragender Symbolik. Auf der einen Seite steht Oskar, der von seinen Mitschülern gehänselt und verspottet wird. Er ist das Opfer, doch insgeheim unsere und Alfredsons Herzensangelegenheit. Auf der anderen Seite steht Eli, ein Vampirmädchen. Tatsächlich steht Elis Vampirismus viel weniger für strenggenommenes Blutsauersein als viel eher symbolisch für ihre Charaktereigenschaft eines autarken, starken Mädchens. Die beiden Figuren, wie sie in ihrem Verhalten nicht unterschiedlicher hätten sein können, treffen nun aufeinander. Was sie verbindet ist ihr beider Problem: Das Außenseitersein. Verblüffend ist zu sehen, wie beide ganz verschieden damit umgehen: Eli nutzt es, um ihre Anonymität zu behalten, sie hat dabei nichts zu verlieren. Oskar muss dagegen einstecken; er muss all die Hänseleien und Kränkungen auf sich nehmen. Eli stellt hierbei eine Art Vorbild, sie lehrt Oskar, stark zu sein und sich zu wehren. Die gesamte Geschichte bekommt hierdurch einen hinreißenden Reiz an emotionaler Haltung und Affektivität.

Die Freundschaft ohne Grenzen

»Frierst du nicht?«, fragt Oskar. – »Ich habe vergessen, wie das geht.«, antwortet Eli.

Als Eli Oskar erklärt, wer sie ist, sagt sie, sie sei wie er. Der Unterschied liege lediglich darin, dass sie töten muss; er es gerne möchte. Ebenso interessant an ihrer Freundschaft ist an dieser Stelle die Tatsache, dass Eli immerzu zu Oskar sagt, dass sie kein Mädchen sei. Oskar scheint dies nicht zu interessieren. Hier entsteht eine Verbundenheit und Freundschaft, vielleicht sogar eine Liebe, die die Oberflächlichkeit überwindet. Geschlechter spielen hier keine Rolle mehr. 

Die wahren »Monster« im Film bleiben schlussendlich lediglich Oskars Kameraden, die letztlich vielleicht sogar nicht einmal vor dem Tode gescheut hätten. Das Blutbad ist hierbei das tragische Happy Ending, das einerseits für Eli nötig war, um ihren Freund zu retten, doch vor allem ein Ende, das es geradezu erzwingt, dieses Meisterwerk des Horrors, der großen Gefühle und der Poesie in unserem Kopf weiterleben zu lassen. 




Donnerstag, 20. Dezember 2012

Bevor die Welt untergeht: Mein Kinojahr 2012.


Um das Kinojahr dieses Jahres nicht mit der Welt untergehen zu lassen, veröffentliche ich heute, einen Tag vor dem Weltuntergang, meine persönliche Auflistung der von mir gesichteten in Deutschland veröffentlichten Kinofilme in 2012. Und um Ihnen eines vorweg zu nehmen: Es war genauso enttäuschend und schlimm wie wunderbar erfrischend und überraschend. 



1.      Titanic 3D 10/10
Das schönste Leinwandcomeback sicherlich aller Zeiten.

2.     Take Shelter 9/10
Weil das Leben nur eine Wahrnehmung ist.

3.     Liebe 9/10
Weil Liebe mehr als nur dahingesagt ist. 


4.  Anna Karenina 9/10
Wunderschön in Bilder und Emotionen gefasste Geschichte von Anna Karenina.


5.     Das Turiner Pferd 9/10
Béla Tarrs beeindruckender Abgesang. Lebe wohl.

6.     Shame 9/10
Weil wir keine schlechten Menschen sind. Wir kommen nur von einem schlechten Ort. 


7.     Drive 9/10
Der lang ersehnte melancholischer Actionfilm. 


8.     Hugo Cabret 9/10 Eins der wunderschönsten Filmerlebnisse der Welt.

9.     Vielleicht lieber morgen 8.5/10
Außenseitersein, Homosexualität, Missbrauch und Trauma so human und einfühlsam in einem jungen Film. Also lass uns zusammen Psychos sein.

10.     The Innkeepers 8/10
Verdammt ceepy auf seine besondere Art und Weise.

11. We Need to Talk About Kevin 8/10
Beeindruckend schwerer Film, seelisch wie rational.

12.  Martha Marcy May Marlene 8/10
Subtil, feinsinnig und kommentarlos zeigt der Film die schwierige Geschichte von Martha, die nach der Flucht aus einer sektenartigen Kommune von Traumata und tiefen Verletzungen verfolgt wird.

13.  Die Wand 8/10
Gefangen in der Natur.

14. Cosmopolis 8/10
Die Limousine begegnet der Realität. Und braust an ihr vorbei.

15.  James Bond 007 – Skyfall 8/10
Fantastische Actionunterhaltung mit noch fantastischeren Anspielungen.

16. Looper 7.5/10
Weil der entscheidende Kampf der gegen sich selbst ist.

17. Once upon a time in Anatolia 7/10
Eine psychologische Reise in Trockenheit.

18. Die Frau in Schwarz 7/10
Oldschool und Radcliffe machen ihn zum kleinen Meisterstück.

19. Miss Bala 7/10
Brillanter Film zwischen Action und Gesellschaft.

20. Livid – Das Blut der Ballerinas 7/10
Stilvoll, surreal, wunderbar oldschool und lückenlos spannend.

21.  Underworld: Awakening 7/10
Auch nach dem vierten Mal noch ein absoluter Knaller, der einen in eine selten so faszinierende, opake Welt aus Nachtkreaturen reißt.

22. The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten 7/10
Gut gemeintes Familienportrait unter Hawaiiblüten.

23. Resident Evil: Retribution 7/10
Noch immer geil.

24. Chronicle – Wozu bist du fähig? 7/10
Packender Jungstraum.

25.  Dark Shadows 7/10
Besser als befürchtet, aber schwächer als erhofft.

26. Der Junge mit dem Fahrrad 6.5/10
Nett.

27. Prometheus – Dunkle Zeichen 6.5/10
Etwas quarkig, aber gut, was sollte er auch schon beantworten? Hier geht es ums Keineantwortenbekommen.

28. Premium Rush 6/10
Netter Radlerfilm.

29. The Amazing Spider-Man 6/10
Nicht so schlimm wie erwartet, ganz im Gegenteil sogar recht anständig.

30. The Dark Knight Rises 5.5/10
Joseph gefällt, ansonsten bin ich froh, dass Nolans fader, einfallsloser Batman ein Ende hat.
 

31.  Dame König Ass Spion 5/10
Wie alkoholfreies Bier.

32. Marvel’s The Avengers 5/10
Ödes, triviales Marvel-Hochglanzgesichter-Stahlkrawumm bis zum Gehtnichtmehr.

33. The Artist 5/10
Nettes Vergnügungsstreifchen fernab von jeglicher Kreativität.

34. 50/50 – Freunde fürs ÜberLeben 5/10
Seth Rogen nervt wie Sau, der Rest ist ziemlich belanglos bis ganz niedlich.

35. Michael 5/10
Klischees, der seltsame Quark dazwischen und die Darstellung irgendwo bei »Messer oder Schwanz?« bauen einen Zwiespalt – klar ist ein Pädophiler auch nur ein Mensch, aber kann man sein Verhalten und Handeln mit »Er ist auch nur ein Mensch« vertreten, was der Film (wenigstens gelungen nüchtern) zeigt? Meiner Meinung nach nicht.

36. Doosday Book – Tag des Jüngsten Gerichts 5/10
Ebenso stupide wie herrliche Weltuntergangszusammenarbeit. Und irgendwo genauso nervenaufreißend.

37. Warrior 4/10
Jenseits aller Innovation und Kreativität bleibt Warrior ein unfassbar überbewertetes, konventionelles Sportdrama mit süßer Emotionalität.

38. [●REC]³: Genesis 4/10
Enttäuschende Weiterführung trotz oder vielleicht auch gerade aufgrund der seltsames Eigenparodie.

39. Moonrise Kingdom 4/10
Schaut her, Wes Anderson macht es besonders skurril! Nach all der Farbentänzelei und seiner Kauzelei möchte man sich einfach nur in einem schwarzweißen Emozimmer einschließen.

40. V/H/S 4/10
Was kann man heute nicht alles für einen Dreck mit Found-Footage begründen?

41. Guilty of Romance 4/10
Seltsam fragwürdiger Film.

42. 21 Jump Street 4/10
Blöder Klamauk.

43. Don’t Be Afraid of the Dark – Fürchte dich nicht im Dunkeln 4/10
Horror mit süßen Zahnfeen.

44. Verblendung 4/10
Verblendung bitte einmal für Hollywood, in Hochglanz, mainstream und mit einer billigen Klischeepunkgöre und ohne Lisbeth-Salander-Problematik zum Mitnehmen bitte.

45. Die Tribute von Panem – The Hunger Games 4/10
Endlich die Dystopie für die Kids. Er unterhält mit Action und Gewalt, wir identifizieren uns mit mordenden Teenies und er möchte all das auf selber Linie kritisieren.

46. The Cabin in the Woods 3/10
Einfallslos nachgeahmt und beim Parodieren so erfrischend wie gekochtes Wasser.

47. Die Kunst zu gewinnen – Moneyball 3/10
Ganz weit von jeglicher Faszination und Interesse entfernt sitze ich da. Und sehe Baseball und Gerede.

48. Ziemlich beste Freunde 3/10
Gutmenschenfilm von und für liebe Menschen, der es sich einfach ganz simpel macht und sein Thema mal ganz locker angeht und in die Lächerlichkeit zieht, bis ihn alle ganz herzerwärmend und drollig finden und auch jeder letzte Idiot drüber lachen kann.

49. Snow White and the Huntsman 2/10
Am Geburtstag mit Freunden gesehen und jedenfalls haben wir lachen können – vor Lächerlichkeit. Natürlich leise, um niemanden bei diesem höchstspannenden Aufstand des kämpfenden Killerschneewittchens zu stören.

50. The Divide 2/10
Beschissener Bunkerhorror mit dem knuffigen Beigeschmack, dass er ganz wichtige Menschenpsychologie entlarven will.

51.  Der Hobbit – Eine unerwartete Reise 1/10
Weil die Landschaften ja so wunderschön sind, die zweieinhalbstündige Geschichte so packend erzählt wird und all die Grinsebacken und ihre liebe Fantasiewelt so faszinierend.

52.  Ted 0/10
Weil Kackapipipupsi nicht cool ist.


Montag, 17. Dezember 2012

David Lynchs Meisterwerk des Surrealismus‘ »Mulholland Drive – Straße der Finsternis« und warum er nicht nur in seiner Perfektion ein Traum von Film ist.


Mulholland Drive
Thriller | USA, Frankreich 2001 | FSK 16 | 148 Minuten | Regie: David Lynch

Nach langer Zeit habe ich endlich wieder David Lynchs verworrenes Kunststück »Mulholland Drive – Straße der Finsternis« gesehen und musste feststellen, dass der Film in keinster Weise an seiner Faszination verloren hat. 


In David Lynchs Meisterwerk »Mulholland Drive« geht es sicherlich um ganz vieles. Und um Träume und Albträume, die Realität werden. Für einen Mann im Schnellrestaurant ›Winkie‘s‹ wird der Albtraum von einem Monster, das im Hinterhof des Restaurants lauert, real – vielleicht ist dies die Schlüsselszene des Films. Aber auch der Direktor im ›Silencio‹ sagt es uns: »Es ist eine Illusion.«

Für Rita, atemberaubend gespielt von Laura Harring, werden ein Autounfall und der Albtraum einer Suche nach sich selbst und seiner Identität real. Für Betty, gespielt von einer grandiosen Naomi Watts, wird der große Traum von Hollywood wahr – in einer Szene sagt sie freudestrahlend: »Und jetzt bin ich in dieser Traumstadt!«. Jedoch beginnt sie, einen ganz eigenen Traum von der großen Traumfabrik zu erleben: Sie erlebt das Mysterium von Rita, für sie beginnt ihr ganz eigener Film und plötzlich erscheint ihr auch der wahre Traum der Schauspielkarriere irgendwie nichtig: Denn trotz lobender Zusage einer Rolle bemerkt sie, dass sie plötzlich noch etwas mit Rita zu erledigen hat und verschwindet. Wie in einem Traum wechseln wir Aktion, Handlung und Ort völlig unabgeschlossen und wirr. Für Adam, gespielt von Justin Theroux, wird der Albtraum einer gescheiterten Filmzusammenarbeit wahr – sein Film ist nicht mehr sein Film. Zu allem Überschuss erwischt er dazu noch seine Frau mit einem anderen Mann im Bett. Und dann kommt diese zerstörerische Wende ...

Wie Sie lesen können, lesen Sie eigentlich nichts. Alles ist verworren und wirr. Es gibt eigentlich keine und damit nur eine Erklärung: David Lynch kreiert die reinste Form des Surrealismus‘, und das auf höchster künstlerischer Ebene. Träume, wie dieser Film ein einziger ist, sind komplizierte Aufhäufungen aus Gefühlen und Fantasien und eine Lösung haben sie erst recht nicht. Doch genau das ist der Reiz an »Mulholland Drive«. David Lynch führt uns surreale Träume und Albträume vor Augen, und zwar auf einzigartige, real werdende Art und Weise. Wir sehen die großen Empfindungen, Verlangen, Wünsche und Mysterien – genau das, was Träume sind, und keine rationalen Tempojagden, wie Christopher Nolan es in »Inception« versuchte, uns auf actiongeladene Fasson eigentlich rein nichts über sein Thema Traum zu sagen. David Lynch selbst erklärte einmal: »Life is very, very complicated and so films should be allowed to be too«. Und dafür dürfen wir ihm dankbar sein, mit Meisterwerken wie diesem die Rationalität der Welt ein wenig entfernter dastehen zu lassen. 

»Silcencio.«


Samstag, 15. Dezember 2012

»Der Hobbit« – Eine wundersam beschissene Reise.

The Hobbit: An Unexpected Journey
Fantasy | USA, Neuseeland 2012 | FSK 12 | 169 Minuten | Regie: Peter Jackson


Um mich dem Belangen von Peter Jacksons neuen Epicwerks und all seinen Grinsebacken entgegenzustellen, mache ich es gar nicht erst wie sie lang und quälend: Ich wollte den Wichteln und Zwergen und Trollen und Orksen und Zauberern und Elfen hundertneunundsechzig Minuten lang einfach nur ins Gesicht spucken. Nichts für Ungut und nur meine banale Eigendiagnose. Wer sich an all den armen, lieblichen und süßgrienenden Wesen erfreuen kann, bitte weitergehen.



Dienstag, 11. Dezember 2012

Vom Leben, Altern und dem Sterbebett: Michael Hanekes »Liebe« über ein alterndes Ehepaar bewegt zutiefst.


Amour
Drama | Frankreich, Österreich, Deutschland 2012 |FSK 12 |127 Minuten | Regie: Michael Haneke

Den Europäischen Filmpreis räumte er gleich den vier Hauptkathegorien Bester Film, Beste Regie, beste Hauptdarstellerin sowie Bester Hauptdarsteller ab, unter Kritikern gilt er als der beste Film des Jahres. Und tatsächlich gelang Haneke ein filmisches Ausnahmestück des Gefühlskinos.


Allem Hanekehass zum Trotz: Was er hier in seinem Meisterwerk »Liebe« zaubert, ist geradezu atemberaubend. Er offenbart uns die Liebe in vieldeutiger Hinsicht; in Zweisamkeit, im Alter, in Aufopferung, in guten wie in schlechten Tagen, in Träumen und schwelgender Sehnsucht an die Vergangenheit und in der Erlösung des Leidens. »Liebe« kreiert ein wahnsinnig feinsinniges Bild des Lebens- und Sterbeweges, und schließlich sitzen wir ebenso warmherzig berührt wie innerlich besiegt da. Ein intensives Geschehen, das – ich wage mich zu sagen – sogar ganz tief in uns stattfindet. 

« Qu’est-ce qui se passe ? »




Samstag, 8. Dezember 2012

Ti Wests »The House of the Devil«: Seine horrenden Stillmomente und ein nervenaufreibendes Schauerspiel mit dem Zuschauer.


The House of the Devil
Horror | USA 2009 | FSK 16 | 91 Minuten | Regie: Ti West

Wenn es anfänglich noch wie ein vermeintlich langweiliger Aufbau wirkt, entpuppt sich »The House of the Devil« nach und nach zu einem Spiel mit dem Wahnsinn des Betrachters. Wir beobachten, wie die Protagonistin durch das Haus schlurft, sie hinter knarrende Türen und Fenstern späht und die Treppen und Flure des Teufelshauses beunruhigend hoch und runter schlappt. Doch sehen tun wir sehr lange eigentlich nur eins: Nichts. Ganz im Gegenteil zu unserer Empfindung. Denn »The House of the Devil« macht genau seine Grabesstille und verhängnisvolle Leere zu seiner bahnbrechenden Intention: Es könnte die ganze Zeit etwas Horrendes passieren – und warten wir nicht nur allzu sehr darauf, weil wir denken, wir kennen die Geschichte? Indessen teibt »The House of the Devil« ein ganz besonderes Spiel mit uns. Er jagt nicht nach einer und der nächsten Gräuelausbeute, er führt uns ganz schleichend an unsere eigene Vorstellungskraft von Böse und Grauen – der wahre Schauder findet die meiste Zeit in uns selbst statt. Genau das ist das Spannende und äußerst Aufregende an diesem Horrormeisterwerk. Bis der Film an seinen wahnsinnigen Endpunkt angelangt.
»Talk to me, lord. Talk to me.« 


Donnerstag, 6. Dezember 2012

Meta, Parodie und die totale Überlegenheit: »The Cabin in the Woods«, der meist überschätzte Horrorfilm der letzten Jahre.


The Cabin in the Woods
Horror | USA, Deutschland 2011 | FSK 16 | 95 Minuten | Regie: Drew Goddard

»The Cabin in the Woods« stielt von seinen großen Vorbildern, ahmt sie vergeblich und ohne Sicht auf Kreativität nach und fühlt sich beim parodieren zahlreicher Klischees wunderbar erfrischend und cool. Leider hält ihn das, wie gern man es ihm gewünscht hätte, nicht gerade davon ab, völlig blöd und langweilig zu sein. Und wen diese drollige Metaebene noch fasziniert, dem sei auch nicht mehr geholfen.
»Good work, zombie arm.« Nö.



Dienstag, 4. Dezember 2012

Vampire, Werwölfe und Gesellschaftsmuster: Len Wisemans Horrormeisterwerk »Underworld« und seine Tragweite.


Underworld
Horror | USA 2003 | FSK 18 | 121 Minuten | Regie: Len Wiseman

Style over substance? Nein, danke.
Dass »Underworld« durch sein geheimnisvolles Mysterienbild der Vampire und Werwölfe fasziniert, ist offensichtlich. Doch wir erkennen im – ich sage es, ohne mich zu schämen – Meisterwerk von Len Wiseman ganz beachtlichen Hintergrund: die Gesellschaftsmuster. Die oberflächlichen Vampire leben hochtechnologisiert in ihrem prunkvollen Schloss, feiern sinnlose Feste, sitzen den Tag über in der süperben Eingangshalle und trinken Blut und lecken rum, und sie leben – wie sich mit der Zeit herausstellt – in einer einzigen Lüge. Es ist ein Bild, das uns an den früheren Adel erinnert; ein Adel, der Orgien feierte und hinter dessen Mauern eigentlich nichts als Doppelspiel steckte. Ähnlich wie Fontane es in seinem Roman »Frau Jenny Treibel« niederschrieb, sehen wir die Falschheit und Oberflächlichkeit der höheren Schicht; es geht um Besitz und das darauf folgende gesellschaftliche Ansehen. Die Vampirgesellschaft, die sich nur an vergoldeten Wasserhähnen die Hände waschen können und hinter deren prunkvollen Mauern ein nur allzu oberflächliches, mittlerweile sogar unsinniges, geistloses Leben treibt – und das eigentlich nur, weil sie es können –, spiegelt genau dieses Bild wider.
Die Lykaner stellen hierfür das Gegenbild: Sie sind die Proletarier. Sie leben wie Untouchables in der Kanalisation und vergnügen sich den Tag über an sinnlosen Kämpfen und experimentieren noch mit primitiven chemischen Praktiken, die – wie eindeutig sichtbar – nur schwer zu Erfolgen führen. Sie sind die, die sich verstecken müssen; die Unkultivierten.

Die Frau als hinterfragende Kämpferin
Doch eine der Vampire spielt aller Sinnlosigkeit gegen an: Während alle anderen ihrer Rasse ihre blöden Feste feiern, räumt sie mit der Welt auf. Sie ist sichtbar die Einzige, die hier noch denkt. Sie widersetzt sich ihrer Gesellschaftsschicht und ihrer Oberflächlichkeit, sie hinterfragt sie sogar und verliebt sich letzten Endes in den Feind selbst: einen Lykaner, jemanden aus der unteren Schicht – wir erinnern uns an G. E. Lessings »Emilia Galotti« oder Schillers »Kabale und Liebe«, auch wenn »Underworld« sogar noch einen Schritt weiter geht: Denn der Adel verliebt sich nicht nur in das Bürgertum, sondern ins Proletariat. Hier ist es Selene, unsere Heldin, die sich wagt und für ihre Gerechtigkeit kämpft. Wir sehen den Film lang eigentlich nichts anderes als die Gegenüberstellung des Adels, der hochnäsigen Vampirgesellschaft, und der unteren Arbeiterklasse. Die verbotene Liebe zwischen Adel und Proletarier trifft aufeinander. Die Lügen und Intrigen kommen mit der Zeit ans Licht. Und deswegen, und nicht hauptsächlich wegen seiner gewandten Action, seines phantastischen Horrors, seines Stils und Eleganz, ist ›Underworld‹ ganz großes Fantasy-Horror-Kino.
Als Lucian von seiner Vergangenheit in Sklaverei der Vampire erzählt, erwähnt er Viktor, der Angst vor einer Vermischung beider Rassen hatte. Hiermit spiegelt der Film einen weiteren fatalen Idealismus unserer Historik wider: den Nationalismus, die Rassentrennung – später noch eindrucksvoller im dritten Teil der Saga »Underworld: Aufstand der Lykaner« erkennbar.
Die Vampire und der Werwölfe in »Underworld« sind geheimnisvolle, faszinierende Kreaturen, keine vegetarischen Glitzerkids. Bram Stoker hätte es vielleicht gefallen. Ich liebe es.

»Wie die Waffen des vorigen Jahrhunderts werden auch wir überflüssig werden. Schade, denn dafür habe ich gelebt.«